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Straßenkunst in Lateinamerika: Politische Botschaften und Farbenpracht, die die Straßen zum Sprechen bringen

Die Straßen Lateinamerikas sind mehr als Asphalt, Pflastersteine und Verkehrsadern. Sie sind Leinwände, Bühnen und Archive zugleich — voll von Bildern, Zeichen und Farben, die Geschichten von Hoffnung, Wut, Widerstand und Liebe erzählen. Wenn man durch Viertel in Mexiko-Stadt, Valparaíso, Bogotá oder Buenos Aires geht, begegnet man einer visuellen Sprache, die direkt, ungeschminkt und oft provokant ist. Diese Kunst ist nicht bloß Dekoration: Sie ist politisch, sie ist sozial, und sie lebt von der Interaktion zwischen Künstlerinnen und Künstlern, Anwohnern, Staat und Besucherinnen. In diesem Artikel tauchen wir tief ein in die Welt der Straßenkunst in Lateinamerika, betrachten die historischen Wurzeln, analysieren die politischen Botschaften, untersuchen Techniken und Farben, stellen exemplarische Städte und Künstler vor und fragen, wie diese Kunst die Gesellschaft formt und reflektiert.

Die historische Wurzel: Von Indigenen Bildern bis zur modernen Muralbewegung

Schon lange bevor europäische Eroberer das Bild Lateinamerikas prägten, nutzten indigene Kulturen Wandmalerei und symbolische Zeichensysteme als Kommunikationsmittel. Tempel, Häuser und Plätze trugen visuelle Erzählungen über Glauben, Kosmologie und Herrschaft. Diese Tradition des Wandbildes wurde durch Kolonialisierung, Missionierung und politische Umwälzungen nicht ausgelöscht, sondern transformierte sich: Sakrale Ikonographien vermischten sich mit neuen Symbolen und später mit globalen künstlerischen Strömungen.

Im 20. Jahrhundert erlebte Lateinamerika eine besonders eindrucksvolle Blüte der Wandmalerei. Die mexikanische Muralbewegung um Künstler wie Diego Rivera, David Alfaro Siqueiros und José Clemente Orozco verband Kunst mit Politik in monumentalen Bildern, die Arbeiterkämpfe, Revolutionen und nationale Identität thematisierten. Diese Bewegung war Vorbild und Auslöser: Sie zeigte, wie Kunst öffentlichen Raum besetzen und Massen ansprechen kann. Später wurde dieses Erbe von Künstlergenerationen neu interpretiert, radikalisiert oder in urbaner Street-Art-Ästhetik weitergeführt.

Neben muralistischer Tradition sind auch Graffiti, Stencil, Paste-Ups, Sticker und Performance-Elemente in die Straßenkunst integriert worden. Jede Technik bringt ihre eigene Kultur und politische Grammatik mit: Graffiti als Zeichen der Reviermarkierung und Stimme der Jugend, Stencils als schnelle, reproduzierbare Protestform, Paste-Ups als Verbindungsglied zwischen Subkultur und visueller Sprache. So zeigt die Geschichte, dass Straßenkunst in Lateinamerika sowohl tiefe historische Wurzeln besitzt als auch dynamisch und zeitgenössisch ist.

Politische Botschaften: Themen, Symbole und Formen des Protests

Die Politik der Straße ist vielschichtig. In den Wandbildern und Graffitis spiegeln sich Landkonflikte, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Erinnerungsarbeit, feministische Forderungen, LGBTIQ+-Sichtbarkeit, Indigenenrechte und Umweltprobleme. Diese Kunst formt nicht nur Kritik, sondern bietet auch Bilder alternativer Gesellschaftsentwürfe. Es sind oft einfache, aber prägnante Symbole — ein erhobener Fäuste, ein stilisiertes Herz, Porträts von Märtyrern oder ein verblasstes Staatswappen — die komplexe Botschaften transportieren.

Ein charakteristisches Moment ist die Direktheit: Straßenkunst muss nicht in vernünftigen Argumenten brillieren, sie arbeitet mit Emotion, Metapher und Wiederholung. Sie nutzt Humor, Ironie und Provokation, um Zuschauer zu stoppen und Reflexion auszulösen. So sind satirische Darstellungen von Politikern, monumentale Gedenktafeln für Opfer staatlicher Gewalt oder großflächige Werke, die ganze Nachbarschaften in Themen wie „Agua“ (Wasser) oder „Tierra“ (Land) tauchen, nur einige Formen.

Die politische Wirkkraft zeigt sich auch in konkreten Auseinandersetzungen: Während Protestwellen — wie die in Chile 2019 oder die zahlreichen Demonstrationen in Mexiko und Kolumbien — tauchte die Straße als Hauptarena auf. Wandbilder entstanden oft als sofortige Reaktion, forderten Gerechtigkeit und dokumentierten Ereignisse, die später in Gerichten, Medien und Geschichtsbüchern auftauchten. Diese Kunst schafft kollektive Erinnerungen, die sich der offiziellen Geschichtsschreibung entziehen können.

Typen politischer Botschaften (nummerierte Liste)

  1. Direkte Anklage: Porträts und Botschaften gegen spezifische Figuren oder Institutionen.
  2. Gedenk- und Erinnerungskultur: Murales und Graffiti, die an Opfer von Gewalt und Diktatur erinnern.
  3. Identität und Sichtbarkeit: Arbeiten, die indigene Kulturen, Afro-Latinidad oder LGBTIQ+ repräsentieren.
  4. Sozialpolitische Forderungen: Forderungen nach Landreform, bezahlbarem Wohnraum, Bildung und Gesundheit.
  5. Umwelt- und Territorialkonflikte: Bilder gegen Bergbau, Abholzung und Umweltzerstörung.
  6. Satire und Humor: Karikaturen, die Ungerechtigkeiten lächerlich machen.

Jede dieser Kategorien ist reich an Beispielen und Variationen. Wichtig ist, dass die Form oft von der Dringlichkeit der Botschaft bestimmt wird: Ein Stencil kann in Minuten aufgebracht sein und eignet sich für unmittelbare Proteste, ein großformatiges Mural braucht Planung, Zustimmung oder heimliche Aktion, aber es bleibt länger sichtbar und prägt das Stadtbild nachhaltig.

Farbenpracht als Form der Sprache: Wie Farbe politische Bedeutungen trägt

In Lateinamerika sind Farben nicht nur ästhetische Entscheidungen: Sie haben kulturelle, historische und politische Bedeutungen. Leuchtende Farben — Türkis, Magenta, Sonnengelb — vermitteln Lebensfreude, Widerstandskraft und kulturelle Vitalität. Gleichzeitig können gedämpfte, dunkle Töne Trauer, Wut oder Bedrohung signalisieren. Manche Werke nutzen gezielt die Farbpalette indigener Textilien, um eine Verbindung zu Vorfahren und Kultur herzustellen, während andere lebhafte Kontraste wählen, um Aufmerksamkeit zu erzwingen.

Die Farben können auch symbolisch für Bewegungen stehen: Rot für radikale Politik, Grün für Umweltbewegungen, Lila für Feminismus, und Regenbogenfarben für LGBTIQ+-Stolz. Künstlerinnen und Künstler mischen diese Codes, brechen Erwartungen und schaffen neue Bedeutungen. Farbe ist außerdem ein Werkzeug für Raumgestaltung: Ein buntes Wandbild kann ein ehemals vernachlässigtes Viertel aufwerten (gentrifizierungsgefährdend), ein weißes Ausblasfenster kann Freiraum für eigene Interpretationen bieten.

Technisch gesehen beeinflusst Farbe die Haltbarkeit und Wirkung eines Werks: Außenfarben, Spraydosenqualität, Pigmentstärke und die Umgebung (Sonne, Feuchtigkeit) bestimmen, wie lange ein Bild sichtbar bleibt. In tropischen Regionen führt starke UV-Strahlung oft zu schnellem Ausbleichen, weshalb viele KünstlerInnen spezielle Pigmente oder wiederholte Überarbeitungen verwenden.

Regionale Unterschiede: Ein Blick auf exemplarische Städte

Lateinamerika ist ein riesiger Kontinent mit einer unglaublichen Vielfalt. Die Straßenkunst- und Protestkulturen sind lokal geprägt, auch wenn sie globale Einflüsse übernehmen. Hier einige exemplarische Städte, die unterschiedliche Facetten zeigen:

Mexiko-Stadt

Mexiko-Stadt ist ein Schmelztiegel muralistischer Tradition und urbaner Street Art. Die gigantischen Wandbilder der Muralisten bilden das historische Rückgrat, während moderne Street-Art-Szenen die politischen Debatten widerspiegeln: Proteste gegen feminizide Gewalt, gegen Drogenkartelle und für soziale Gerechtigkeit. Die Nähe zu Universitäten, kulturellen Zentren und sozialen Bewegungen macht die Stadt zu einem Laboratorium für politische Ästhetik.

Bogotá

Bogotá zeichnet sich durch eine dynamische Graffiti-Szene aus, die oft im Kontext von Erinnerungsarbeit und Bürgerbewegungen steht. Nach Jahrzehnten des Konflikts ist die Straße ein Ort der Aufarbeitung: Murales ehren Opfer, künstlerische Interventionen markieren ehemalige Gewaltorte und Kollektive gestalten Nachbarschaftsräume um.

Valparaíso

Valparaíso, die chilenische Hafenstadt, ist berühmt für ihre farbenfrohen Hügel und dicht bemalten Fassaden. Dort verschmelzen Tourismus und subversive Kunst. Die Bilder reichen von poetisch-nomadischen Motiven bis zu politisch scharfen Kommentaren, besonders nach den Protesten 2019, die die Stadt in ein visuelles Manifest der Unzufriedenheit verwandelten.

São Paulo

São Paulo bietet ein riesiges Labor für Handschrift und Technik: ausgedehnte Graffiti-Wände, präzise Stencils und experimentelle Street Art. Politische Stellungnahmen finden sich wie überall, doch in São Paulo ist besonders die Balance zwischen Kommerzkunst (Murals für Firmen) und radikaler Straßenkunst spannend.

Buenos Aires

In Buenos Aires ist die Tradition der politisch aufgeladenen Wandmalerei stark mit den Erinnerungen an die Diktatur und den Kampf um Menschenrechte verbunden. Gedenktafeln, Porträts der Verschwundenen und Kollektivarbeiten zeugen von einem öffentlichen Gedächtnis, das sichtbar auf Mauern geschrieben steht.

Werkzeuge, Techniken und Materialien

Straßenkünstlerinnen und -künstler sind oft Tüftler. Ihre Werkzeuge reichen von einfachen Spraydosen über Aufkleber, Pate-à-Paste, Stencils, Pinsel und Rollen bis hin zu Projektoren für großformatige Übertragungen. Jede Technik hat strategische Vorteile:

– Spraydosen: schnell, flexibel, ideal für freie Formen und Schichten.
– Stencils: ermöglichen reproduzierbare Botschaften, sind schnell einsetzbar und eignen sich für komplexe Formen.
– Paste-Ups: gedruckte oder gemalte Papierarbeiten, die schnell geklebt werden können.
– Pinsel/Malerrollen: für großflächige Murals mit langer Lebensdauer.
– Projektoren: ermöglichen exakte Übertragung von Vorlagen auf große Flächen, besonders nachts und heimlich.

Auch Materialwahl ist entscheidend: wetterfeste Farben, anti-graffiti-Beschichtungen, Pigmente mit hoher Lichtstabilität und Klebstoffe mit guter Haftung in tropischen Klimata. Kollektive teilen oft Techniken und Ressourcen, veranstalten Workshops und geben Know-how an junge Generationen weiter.

Widerstand, Repression und staatliche Reaktionen

Straßenkunst provoziert Reaktionen. Je nach politischer Lage schwanken staatliche Reaktionen zwischen Unterstützung und Repression. Einige Regierungen, besonders in Zeiten von Stadterneuerung oder Tourismusförderung, fördern Murales, um ein positives Stadtbild zu schaffen. In anderen Fällen werden politisch unbequeme Werke entfernt, übermalt oder sanktioniert, und Künstlerinnen riskieren Verhaftung.

In Ländern mit starker Zivilgesellschaft sind jedoch oft Schutzmechanismen entstanden: Gemeinschaftliche Absprachen, rechtliche Initiativen zur Erhaltung öffentlicher Kunst und öffentliche Debatten über freie Meinungsäußerung. Gleichzeitig bedrohen Gentrifizierungsprozesse künstlerische Szenen: Sobald ein Viertel durch seine Kunst an Attraktivität gewinnt, steigen Mieten, und ursprüngliche Akteurinnen werden verdrängt. Dieses Paradoxon — Kunst als Mittel zur Sichtbarkeit und gleichzeitig als Auslöser sozialer Verdrängung — ist ein wiederkehrendes Thema.

Beispiele staatlicher Reaktionen (nummerierte Liste)

  1. Förderung: Stadtprogramme zur Fassadengestaltung, offizielle Mural-Projekte.
  2. Sanktion: Entfernung oder Übersprayen kritischer Werke, Bußgelder, Verhaftungen.
  3. Kooptation: kommerzielle Nutzung von KünstlerInnen für Werbeprojekte.
  4. Dialog: öffentliche Foren zur Beteiligung und Konfliktlösung.
  5. Ignorieren: staatliche Gleichgültigkeit als Form indirekter Zensur.

Die Praxis zeigt, dass diese Reaktionen selten eindeutig sind — sie wechseln mit politischen Zyklen und öffentlicher Meinung.

Kollektive, Initiativen und Festivals: Kunst als Gemeinschaftsprojekt

Straßenkunst entsteht oft kollektiv: Kollektive organisieren Sprühaktionen, Workshops für Nachbarschaften, Bildungsprogramme und Plattformen, um Räume zu verteidigen. Festivals wie „Festival de Arte Callejero“, „Mural Fest“ oder lokale Events bieten Bühne, Vernetzung und Ressourcen. Solche Initiativen fördern nicht nur Kunst, sondern auch politische Bildung und gegenseitige Unterstützung.

Workshops in Slums oder peripheren Stadtteilen haben oft transformative Wirkung: Sie eröffnen Jugendlichen Ausdrucksmöglichkeiten, bieten berufliche Perspektiven und stärken lokalpolitisches Engagement. Gleichzeitig sind Festivals nicht frei von Kommerzialisierungsgefahren — Sponsorengelder bringen Ressourcen, aber auch Bedingungen.

Ökonomie der Straßenkunst: Schattenmärkte, Auftragsarbeiten und Tourismus

Straßenkunst trägt wirtschaftlich zur Stadt bei. Touristen kommen wegen berühmter Murals, lokale Führungen entstehen, Merchandising floriert. Gleichzeitig gibt es eine informelle Ökonomie: Verkauf von Drucken, T-Shirts, Auftragsarbeiten für Lokalwirtschaft und private Auftraggeber. Einige KünstlerInnen wechseln zwischen illegalen Interventionen und bezahlten Projekten, was Spannungen erzeugen: Wird Kunst käuflich, wenn sie zuvor rebellisch war?

Eine tabellarische Gegenüberstellung kann helfen, ökonomische Aspekte zu ordnen:

Tabelle 1: Ökonomische Dimensionen der Straßenkunst in Lateinamerika (beschriftet)

Nr. Dimension Beschreibung Beispiel
1 Tourismus Mural-Touren, Fotografie, lokale Führungen Valparaíso-Mural-Touren
2 Auftragskunst Firmen- und Stadtprojekte gegen Bezahlung São Paulo Firmenmurals
3 Merchandising Drucke, Kleidung, Poster Printshops mit Mural-Designs
4 Informelle Verkäufe Verkauf von Stickern, kleinen Werken auf Märkten Stände in San Telmo (Buenos Aires)
5 Fördermittel Staatliche oder NGO-Förderung für Projekte Kulturförderprogramme

Diese Tabelle macht sichtbar: Straßenkunst ist ein hybrides Feld mit kulturellen, politischen und ökonomischen Verzweigungen. Künstlerinnen navigieren dieses Feld mit kreativer Flexibilität — und oft mit Kompromissen.

Gegenwart und Digitalisierung: Wie Social Media und neue Technologien visuellen Protest verändern

    Straßenkunst in Lateinamerika: Politische Botschaften und Farbenpracht. Gegenwart und Digitalisierung: Wie Social Media und neue Technologien visuellen Protest verändern

In Zeiten von Smartphones und Instagram hat die Sichtbarkeit von Straßenkunst eine neue Dimension erreicht. Ein Werk, das lokal entstanden ist, kann binnen Stunden weltweit viral gehen. Diese Vernetzung hat Folgen: Künstlerinnen denken in digitalen Formaten mit Blick auf Reproduzierbarkeit, Hashtags fungieren als thematische Bündel und digitale Archive konservieren Werke, die physisch möglicherweise bald verschwinden.

Gleichzeitig eröffnet Technik neue Tools: Mapping-Apps, Online-Karten mit Street-Art-Hotspots, digitale Sammlungen und Online-Workshops. Dies demokratisiert Zugang und Wissen, schafft aber auch Probleme: Werke werden fotografiert und kommerziell verwendet, Kunst wird ohne Erlaubnis reproduziert oder Kunstschaffende verlieren Kontrolle über ihr Werk. Die Debatte um Urheberrechte in öffentlichem Raum ist deshalb zunehmend relevant.

Nachhaltigkeit und Erhalt: Können Murales konserviert werden?

    Straßenkunst in Lateinamerika: Politische Botschaften und Farbenpracht. Nachhaltigkeit und Erhalt: Können Murales konserviert werden?

Ein zentrales Dilemma: Straßenkunst ist flüchtig. Witterung, Übermalung und Vandalismus führen zu Zerfall. Manche Initiativen versuchen, besonders bedeutende Werke zu konservieren: Schutzanstriche, Fotodokumentation, gesetzliche Anerkennung. Doch Bewahren kann auch bedeuten, die Dynamik der Straße einzuschränken. Die Frage ist ethisch: Wem gehört ein Wandbild — der Künstlerin, der Gemeinschaft oder der Stadt?

Erhaltungsstrategien sind vielfältig: Digitale Archive, gedruckte Reproduktionen, Festlegung von „kulturell schützenswerten“ Flächen, oder aber die Förderung von wiederkehrenden Überarbeitungen als Form lebendiger Erhaltung. Viele Kollektive wählen die Option der Dokumentation: Sie erfassen Wandbilder systematisch, inklusive Kontext, Zeiten und politischen Umständen.

Interaktion mit Gemeinschaften: Beteiligung, Empowerment und Konflikte

Straßenkunst ist effektiv, wenn sie mit Gemeinschaften verknüpft ist. Projekte, die Partizipation integrieren — Workshops, Gesprächsrunden, gemeinsames Malen — erzeugen Nachhaltigkeit. Sie bieten Räume der Aneignung: Bewohnerinnen identifizieren sich mit Bildern, nutzen sie als Marker für Identität und kollektive Erinnerung. Partizipation mindert zugleich Konflikte, weil lokale Stimmen gehört werden.

Doch Konflikte entstehen: Nicht jede Gemeinschaft wünscht sich denselben Stil oder dieselbe Botschaft. Manche Werke werden als Aufdringlich empfunden, andere als Instrument von Gentrifizierung. Hier sind Dialoge wichtig: Transparenz in der Planung, faire Entschädigung für Beteiligte und ein offener Diskurs über Ziele.

Berühmte Aktionsformen und ikonische Bilder

Einige Motive werden ikonisch und durchdringen nationale Diskurse: Porträts von Ermordeten Menschenrechtsverteidigerinnen, großformatige Darstellungen von Mutter Erde, Szenen, die Polizeiübergriffe dokumentieren, oder fantasievolle Figuren, die urbanen Raum neu denken. Diese Bilder werden zu Symbolen von Bewegungen und sind oft wiederkehrende Motive in Protesten, Flyern und digitalen Kampagnen.

Ebenso prägnant sind Performances: Straßenkunst als Theater, Töne, Installationen und Interventionen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf skandalöse Ereignisse lenken. Diese Mehrdimensionalität macht Städte zu lebendigen Galerien demokratischer Ausdrucksformen.

Zukunftsaussichten: Nachhaltige Räume für künstlerischen und politischen Ausdruck

Die Straße wird weiterhin Schauplatz politischer Auseinandersetzung sein. Angesichts Klimakrisen, neuen Migrationsbewegungen, urbaner Ungleichheit und wachsender Jugendproteste bleibt Straßenkunst ein zentraler Ausdrucksraum. Die Herausforderung besteht darin, Räume zu schaffen, die künstlerische Freiheit schützen, lokale Communities einbeziehen und Kommerzialisierung sinnbringend regulieren.

Bildung spielt dabei eine große Rolle: Wenn Schulen, Universitäten und Kulturinstitutionen Street Art als legitime Praxis anerkennen, entstehen Karrieren und legitime Einkommensquellen für KünstlerInnen. Gleichzeitig braucht es rechtliche Rahmen, die Kunstfreiheit und öffentliche Beteiligung schützen — ohne die kreative Unmittelbarkeit zu ersticken.

Praxisbeispiel: Ein fiktives Projekt, das verbindet

Stellen wir uns ein Projekt vor, das in einer peripheren Siedlung in Bogotá startet: Ein Kollektiv organisiert Workshops, in denen Jugendliche ihre Geschichte als Bilderserie erarbeiten. Gemeinsam entwerfen sie ein Mural, das lokale Mythen, Gewaltgeschichte und Zukunftswünsche verbindet. Das Projekt arbeitet mit Gemeindevertretungen, lokalen Schulen und einem Kulturamt zusammen, dokumentiert das Werk digital und plant eine jährliche Überarbeitung als Ritual des Gedenkens.

Dieses Modell zeigt, wie Kunst, Politik und Pädagogik ineinandergreifen können: Es schafft Ausdrucksmöglichkeiten, stärkt kollektive Identität und verwandelt ein Stück Wand in lebendiges Gedächtnis. Solche Projekte lassen sich in vielen Kontexten adaptieren — mit Rücksicht auf lokale Besonderheiten.

Ressourcen für Weiteres Lernen (nummerierte Liste)

    Straßenkunst in Lateinamerika: Politische Botschaften und Farbenpracht. Ressourcen für Weiteres Lernen (nummerierte Liste)

  1. Bücher und Monographien zur Muralbewegung und urbaner Kunstgeschichte.
  2. Dokumentarfilme über Straßenkunst und soziale Bewegungen in Lateinamerika.
  3. Online-Archive und Karten mit Street-Art-Hotspots.
  4. Workshops und kollektive Ateliers vor Ort.
  5. Netzwerke von Künstlerkollektiven und NGO-Programme zu Kunst und Menschenrechten.

Diese Ressourcen bieten Einstiegspunkte für Interessierte, die tiefer in lokale Kontexte und Praxen eintauchen möchten.

Methodische Hinweise für Forscher und Aktivisten

Wer Straßenkunst wissenschaftlich untersucht oder als AktivistInnen Projekte initiiert, sollte mehrere Methoden kombinieren: Feldforschung, Interviews mit KünstlerInnen und BewohnerInnen, visuelle Dokumentation, partizipative Workshops und historische Kontextualisierung. Ethik ist zentral: Zustimmung, Respekt vor Urheberrechten und Bewahrung sensibler Informationen sind Pflicht. Forschung sollte nicht nur extrahieren, sondern zurückgeben — in Form von Berichten, Ausstellungen oder direkter Unterstützung lokaler Initiativen.

Schlussfolgerung

Straßenkunst in Lateinamerika ist mehr als ästhetischer Ausdruck; sie ist ein lebendiges Archiv politischer Forderungen, kollektiver Erinnerungen und kultureller Identitäten. Durch Farbe, Form und eingreifende Präsenz verwandeln Künstlerinnen und Künstler Wände in Diskursräume, in denen Gegenwart und Geschichte verhandelt werden. Diese Kunst hat die Kraft, Empathie zu schaffen, Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen und Gemeinschaften zu stärken — doch sie steht auch vor Herausforderungen: Repression, Kommerzialisierung, Gentrifizierung und Erhaltungsfragen. Letztlich zeigt die Straßenkunst des Kontinents ein zutiefst demokratisches Potenzial: Sie macht sichtbar, was oft unsichtbar bleibt, und lädt Menschen ein, sich die Stadt zurückzuerobern — Wand für Wand, Farbe für Farbe.

Straßenkunst in Lateinamerika: Politische Botschaften und Farbenpracht, die die Straßen zum Sprechen bringen Reviewed by on . Die Straßen Lateinamerikas sind mehr als Asphalt, Pflastersteine und Verkehrsadern. Sie sind Leinwände, Bühnen und Archive zugleich — voll von Bildern, Zeichen Die Straßen Lateinamerikas sind mehr als Asphalt, Pflastersteine und Verkehrsadern. Sie sind Leinwände, Bühnen und Archive zugleich — voll von Bildern, Zeichen Rating:
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